Die Verpasste Altcoin-Season: Eine Analyse

Pascal Hügli

Viele Anlegerinnen und Anleger haben in den letzten Monaten auf eine Altcoin-Season gehofft – also eine Phase, in der alternative Kryptowährungen (Altcoins) stark an Wert gewinnen. Zwar gab es einige kurzlebige Hypes, etwa um Memecoins oder KI-Token, aber insgesamt konnten Altcoins nicht mit Bitcoin mithalten. Wir gehen den Ursachen auf den Grund!

Author Pascal Hügli | Investment Manger | Maerki Baumann Co. AG

Zu viele Altcoins im Umlauf

Ein Problem stellt das riesige Angebot an Altcoins dar. Viele Projekte haben ihren eigenen Token herausgegeben – oft nur, um kurzfristig Kapital zu generieren und nicht um einen echten Mehrwert zu bieten. Dies hat zu einer regelrechten Tokenschwemme geführt.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie stark dieses Überangebot gewachsen ist:

Grafik unique crypto tokens over time
Grafik:https://dune.com/queries/4303251/7229047
  • 2017: rund 13’241 Token
  • 2021: rund 2.7Millionen Token
  • April 2025: über 42 Millionen Token

Nicht alle dieser Token sind tatsächlich im Umlauf oder aktiv handelbar – viele existieren rein technisch. Dennoch wird deutlich: Das Angebot explodiert, während die Nachfrage nicht Schritt hält. In einem solchen Umfeld wird es für einzelne Altcoins immer schwieriger, sich durchzusetzen und Investoren zu überzeugen.

Die Rolle der Geldpolitik

Die allgemeine Geldpolitik – genauer gesagt die Liquidität im Finanzsystem – spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Altcoins. Die US-Notenbank (Fed) hat in letzter Zeit ihre Bilanz reduziert, was bedeutet, dass dem Markt Geld entzogen wurde. Gleichzeitig hat das US-Finanzministerium über seine Konten wieder etwas Liquidität zur Verfügung gestellt. Insgesamt ist die sogenannte Nettoliquidität aber weitgehend stabil geblieben. Das heisst, es ist nicht mehr zusätzliches Geld im Umlauf, das risikoreichere Anlagen wie Altcoins antreiben könnte. In einem solchen Umfeld investieren viele lieber in etablierte Werte wie den Bitcoin, der zunehmend als digitales Gold angesehen wird, als in kleinere, oft spekulative Altcoins.

Die Marktbreite spricht eine klare Sprache

Ein Blick auf die Marktstruktur zeigt, dass es Altcoins schwer haben. Ein guter Indikator dafür ist die sogenannte Advance/Decline Line (ADL). Sie misst, wie viele der 200 grössten Kryptowährungen im Wert steigen oder fallen. Seit Anfang 2023 sind die Kurse vieler Kryptowährungen zwar gestiegen, der ADL-Index sinkt aber. Das zeigt: Der Aufschwung wird von wenigen Coins getragen, während der breite Markt – also die grosse Masse der Altcoins – schwächelt. Insbesondere in einem Umfeld stagnierender Liquidität gelingt es vielen Projekten nicht, Kapital anzuziehen und eine Rally zu starten.

Ohne Ethereum keine Altcoin-Season

Ethereum spielt eine Schlüsselrolle im Altcoin-Ökosystem. Viele Altcoins basieren entweder direkt auf Ethereum oder sind eng mit dessen Infrastruktur verbunden. Wenn Ethereum also nicht performt, spiegelt sich das oft negativ im Rest des Altcoin-Marktes wider. Schaut man sich zum Beispiel das Verhältnis des Ethereum-Kurses zum Bitcoin-Kurs (ETH/BTC-Ratio) an, sieht man, dass sich diese Kennzahl auf einem Mehrjahrestief befindet. Das zeigt: Ethereum schwächelt im Vergleich zu Bitcoin – und das bremst den gesamten Altcoin-Markt. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Ethereum derzeit kein klarer „Narrative Driver“ ist. Während Bitcoin vom ETF-Boom profitiert und andere Altcoins von Hypes wie KI oder Memes getrieben werden, fehlt Ethereum eine eigene starke Story. Zwar schreitet die technologische Entwicklung stetig voran – Stichwort „Rollups“ oder die Modularisierung der Ethereum-Architektur -, doch zieht dies bislang nur wenige Investoren an.

Was die Geschichte lehrt

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich Altcoins in der Regel erst nach Bitcoin stärker entwickeln. Die typische Reihenfolge in einem Krypto-Bullenmarkt sieht so aus:

  1. Bitcoin steigt zuerst
  2. Ethereum folgt als Nächstes
  3. Dann steigen Altcoins mit kleineren Marktkapitalisierung

Diese Dynamik entsteht, weil Anleger zunächst in den „sicheren Hafen“ Bitcoin investieren. Erst wenn dort bereits Gewinne erzielt wurden, suchen viele nach neuen Chancen in kleineren Coins. Dies wird oft als Kapitalrotation bezeichnet. Im aktuellen Zyklus ist dieser Effekt bislang ausgeblieben. Bitcoin ist stark gestiegen – auch durch den Zufluss von ETFs – aber die nächste Stufe (Ethereum und Altcoins) ist bisher ausgeblieben. Damit erinnert dieser Zyklus weniger an 2021 oder 2017 als an die Phase von 2019 bis 2020. Auch damals dominierte Bitcoin, während die Altcoins lange Zeit kaum zulegen konnten.

Eine richtige Altcoin-Season ist bisher ausgeblieben. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Viel Kapital ist in Bitcoin geflossen
  • Vor allem durch neue ETF-Produkte
  • Es gibt ein massives Überangebot an Altcoins, das die Aufmerksamkeit der Investoren
    zersplittert
  • Die Geldpolitik bremst risikoreiche Anlagen wie Altcoins aus
  • Nur wenige Coins treiben den Markt nach oben, während viele Altcoins hinterherhinken

Für eine Altcoin-Season müssten sich mehrere Faktoren ändern, etwa eine Lockerung der Geldpolitik, neue Impulse für den Kryptomarkt oder eine Marktbereinigung, bei der überflüssige Token verschwinden. Ob und wann es dazu kommt, ist offen – klar ist aber: Der nächste grosse Altcoin-Zyklus braucht neue Rahmenbedingungen.

Erklärbox: Wichtige Begriffe einfach erklärt

BegriffeErklärung
AltcoinsAlle Kryptowährungen ausser Bitcoin. Beispiele sind Ethereum, Solana oderCardano.
Altcoin-SeasonEine Phase, in der viele Altcoins stark im Wert steigen – oft nach einem Bitcoin-Boom.
ETF (Exchange Traded Fund)Ein börsengehandelter Fonds, der wie eine Aktie gekauft und verkauft werden kann. In diesem Fall bildet er den Bitcoin-Kurs ab.
NettoliquiditätDie Menge an Geld, die tatsächlich im Finanzsystem zirkuliert. Sie beeinflusst, wie viel Kapital für Investitionen zur Verfügung steht.
Advance / Decline Line (ADL)Ein Index, der zeigt, wie viele Coins steigen (Advance) und wie viele fallen (Decline). Er gibt Auskunft über die Breite eines Auf- oder Abschwungs.
MarktbreiteBeschreibt, ob ein Aufwärtstrend von vielen oder nur wenigen Anlagen getragen wird. Breite = gesund, schmal = anfällig.

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